Nur mal eben!

Es ist schon hart an der Grenze zur Blasphemie, was meinem von mir an Werktagen so geliebten Göttergatten am Sonntag so alles einfällt. Bis zu dem denkwürdigen Tag, an dem ich diesen Verrückten ehelichte, war mir das Gebot unseres Herrn: „Am siebten Tage sollst du ruhen“ eine lieb gewonnene
Gewohnheit.
Hätte ich auch nur im Entferntesten geahnt, dass ich mit meiner standesamtlichen Unterschrift ganz nebenbei und mal eben das Recht auf meinen freien, gammeligen Sonntag aufgebe, ich wäre in letzter Minute gelaufen, soweit mich die Beine getragen hätten.

Jeden Sonntagmorgen, spätestens nach dem Frühstück, ergreift eine seltsame Unruhe stürmisch und unaufhaltsam Besitz von dem mir Angetrauten.
Meistens fängt es völlig harmlos an. Er sucht einen Flaschenöffner und stellt dabei fest, dass die Küchenschublade mal eben aufgeräumt werden müsste. Ich würde ihn im Leben nicht daran hindern, aufzuräumen, aber ich weiß aus sonntäglicher Erfahrung, dass spätestens nach zwei Minuten die Aufforderung folgt:
„Könntest du hier mal eben durchwischen?“
Dann fällt meiner zweifellos ordentlicheren, besseren Hälfte
ganz plötzlich auf, dass das Bücherregal dringend umstrukturiert werden muss. Letzte Woche Sonntag wurden die Bücher nach Größe und Dicke sortiert, diese Woche werden sie nach Farben geordnet.
„Du könntest ja mal eben mit dem Lappen drüberhuschen.“
Was in meinen Augen die pure Beschäftigungstherapie ist, sieht er als zwingend notwendige Aufgabe, bei der die gesamte Familie helfen muss.
Dabei könnten wir es doch so nett haben, wenn ich mich damals nicht in einem Anflug von geistiger Umnachtung mal eben für diesen Wahnsinnigen entschieden hätte.
Bis zum Mittagessen habe ich schon dreiundzwanzig Mal die Augen verdreht, fünfunddreißig Mal die armen Kinder besänftigt und mich mindestens zwei Millionen Mal gefragt, wieso um alles in der Welt ich dieses Spielchen immer wieder mitspiele.
Wenn alle anderen geplagten und gestressten Hausfrauen dieses Universums ihren wohlverdienten Mittagsschlaf halten,
formt sich in seinem kranken und beschränkten Hirn die sensationelle Idee, mal eben den Keller und den Speicher aufzuräumen. Das sieht dann folgendermaßen aus: Alle anwesenden Kinder und Ehefrauen traben im Entenmarsch stöhnend, schwitzend und schwer bepackt die Treppen rauf und runter, um allen angesammelten Plunder vom Keller auf den Dachboden zu befördern und umgekehrt.
Ich habe es längst aufgegeben, den Sinn und Zweck dieses Unternehmens verstehen zu wollen, in der sicheren Gewissheit, dass diese Prozedur nächste Woche in umgekehrter Reihenfolge wiederholt wird. Dieser Mann ist nicht ausgelastet, eine bessere Erklärung fällt mir beim besten Willen nicht ein.
Die restlichen Stunden eines jeden Sonntags werden mit der zwar widerwilligen, doch tatkräftigen Unterstützung der ganzen Familie die Möbel im Wohnzimmer, im Schlafzimmer und in den Kinderzimmern verrückt, nur damit er anschließend sagen kann:
„Ich glaube, vorher sah es besser aus, könnt ihr mal eben mit anpacken?“
Wenn dann alles wieder so steht, wie es morgens auch schon stand, setzt er sich endlich zufrieden mit sich, der Welt, und seiner Familie aufs Sofa und seufzt:
„Da haben wir doch mal eben ordentlich was weggeschafft.“
Bis jetzt habe ich mich nicht getraut, aber ich denke, nächsten Sonntag kippe ich mal eben ein Schlafmittel in seinen Frühstückskaffee.