Hilfe, mein Mann kränkelt!

Dieser Satz reicht aus, um mir den Schweiß aus allen Poren treten zu lassen, meinen Pulsschlag in schwindelnde Höhen zu treiben und alle meine Termine für die nächsten 3 Wochen abzusagen.
Ich nehme an, dass alle verheirateten Frauen diesseits und jenseits des Äquators wissen, wovon ich rede.
Vor achtzehneinhalb Tagen - ich habe seitdem die Stunden gezählt- war es wieder mal so weit.
Ich sah durchs Küchenfenster meinen Mann gesenkten Hauptes und gemäßigten Schrittes auf die Haustüre zukommen und stellte mir im Geiste schon sämtliche Katastrophen vor, die ihn heimgesucht haben könnten. Steuerprüfung? Tod seiner über alles geliebten Mutti?
Ein Kratzer an seinem heiß geliebten Auto?
Meine allerschlimmsten Befürchtungen wurden durch seinen hingehauchten Begrüßungssatz: "Ich bin krank" bereits in den Schatten gestellt. Nun ist eine tropfende Männernase, wie ich aus Erfahrung weiß, ja nicht einfach nur ein Schnupfen. Vor allem dann nicht, wenn kein Fieber einhergeht. Bei jedem "normalen" grippalen Infekt zeigt das Fieberthermometer schließlich irgendeine Gradzahl jenseits von 37,5° an. Bei meinem Mann nicht.Das gab natürlich Anlass zu höchster Sorge und Alarmbereitschaft.Mit seiner Frage:
"Hast du im Radio irgendwas von einer besonders heimtückischen,
bisher unerforschten Grippeepidemie gehört?" hatte ich schon gerechnet, nicht aber mit seiner Aufforderung, alle seine ehemaligen Mitschüler anzurufen und sie von seinem kurz bevorstehenden Ableben in Kenntnis zu setzen.
Ich richtete ihm im Wohnzimmer sein Krankenlager her, glättete Laken, schüttelte Kissen auf und bettete ihn mitsamt seiner angeschlagenen Psyche vorsichtig zur letzten Ruhe.
Es mag ja durchaus Männer geben, die sich zwar heftig leidend,
aber dennoch stillschweigend in ihr schweres Schicksal fügen.
Der mir Angetraute gehört leider nicht zu dieser Sorte.
Fortan war ich rund um die Uhr (an dieser Stelle möchte ich unserem Schöpfer auf Knien dafür danken, dass der Tag nur 24 Stunden zählt) damit beschäftigt, benutzte Taschentücher zu entsorgen, ihm mitfühlend über die kranke Stirn zu streichen,
ihn im 2- Minuten- Rhythmus abwechselnd mit Kamillentee und Pfefferminztee zu versorgen, seine Wärmflasche auf einer konstanten Temperatur zu halten und ihm in regelmäßigen Abständen das Fieber zu messen, nur um dann festzustellen, dass er immer noch keins hat.
Auf das leiseste Piepsen seiner inzwischen in Mitleidenschaft gezogenen Stimme kam ich aus den entferntesten Ecken unseres Hauses herbeigeeilt, um ihm seine jeweils letzten Wünsche von den Augen abzulesen. Die Kinder durften sich nur noch in der Garage, und auch da nur flüsternd, unterhalten. Radio und Fernseher waren absolut tabu und das Telefon, mein einziger Draht zur Außenwelt, musste ausgestöpselt werden. Nicht, dass ich mich terrorisiert gefühlt hätte von Aufforderungen wie:
Schieb mich bitte zum Fenster, ich möchte noch einmal die Sonne sehen! Oder bring bitte die Kinder zum Schweigen, auf welche Art auch immer! Nein, ich weiß ja, dass mein Mann im Normalzustand durchaus mit beiden Beinen im Leben steht, aber wenn ihm die Nase läuft, steht er halt mit einem Bein im Grab.
Nachdem ich eine Woche lang als Krankenschwester unermüdlich im
Dienste der Gesundheit gestanden habe, bat mein Mann mich um einen letzten Gefallen:"Hol mir doch bitte vom Dachboden mein
Abi- Jahrbuch." Sein Wunsch war mir natürlich Befehl, und so machte ich mich auf die Suche.
Irgendwie muss dann irgendwo eine Diele morsch gewesen, jedenfalls bin ich mit dem verdammten Jahrbuch unterm Arm zwei Meter in die Tiefe gestürzt.Mein Bein tat höllisch weh und war so verdreht, dass ich nicht mehr erkennen konnte, wo vorne und wo hinten war. In meiner Verzweiflung schrie ich zu meinem armen, kranken Mann hinunter: "Ruf bitte einen Krankenwagen, ich hab mir das Bein gebrochen."
"Das Telefon liegt in der Küche, ich komm nicht dran. Kannst du dir das Bein denn nicht selber schienen?"