Die Schütze-Frau und ihr Haushalt, zwei Welten prallen aufeinander



Die Sonne scheint!
Voller Elan und Tatendrang lasse ich mich aus dem Bett rollen, um sämtliche Fenster zu putzen, die in meinem Hausfrauenleben eine mehr oder weniger wichtige Rolle spielen. Mindestens 3 Gründe sprechen für meine plötzlich und völlig unerwartet aufgetretene Putzwut.
1) Die Sonne scheint.
2) Hausfrauen putzen halt hin und wieder.
3) Wenn ich aus dem Fenster schaue, kann ich nicht mehr erkennen, ob es Tag oder Nacht, Sommer oder Winter ist.
Ich bin wild entschlossen den Dämmerzustand in meiner Wohnung zu beheben und etwas Glanz in meine bescheidene Hütte zu bringen.

Aber da fällt mir ein, bevor ich wirklich und ernsthaft loslege, könnte ich ja eigentlich noch schnell eine Freundin anrufen, um mit ihr ein bißchen über das Leben an sich und als solches oder über die Männer im einzelnen und im speziellen und überhaupt zu philosophieren.
Damit mir beim Telefonieren der Hals nicht austrocknet, schütte ich mir 2 1/2 l Kaffee auf. Die Suche nach einem freien und gemütlichen Plätzchen in meiner chaotischen Wohnung ist bereits nach 10 Minuten von Erfolg gekrönt. Zwar muss ich erst 3 Bücher, 2 Zeitschriften, meine Lesebrille, eine leere Packung Zigaretten, eine angebrochene Tafel Schokolade und andere diverse Kleinigkeiten beiseite räumen, aber die Aussicht auf ein nettes, kleines Plauderstündchen lässt mich das alles mit einem Mindestmaß an Unmut in einen Schrank stopfen, der mir seit 17 Jahren dazu dient alles hineinzuwerfen,was mir irgendwie im Weg ist und den ich unter Einsatz meines Lebens verteidigen würde,käme jemand auf die wahnwitzige Idee ihn zu öffnen.

So, gleich ist es soweit. Um meinen guten Willen zu demonstrieren, stelle ich schon mal alles, wovon ich vermute, dass man es zum Putzen braucht mitten ins Wohnzimmer. Das beruhigt mein schlechtes Gewissen ein wenig und vielleicht, entgegen allen rationalen Erwägungen, fängt das Fensterleder ja schon mal ohne mich an.

Ich setze mich gemütlich hin, lege meine müden Beine hoch und wähle die Nummer meiner besten Freundin. Freizeichen, dem Himmel sei Dank !
Es klingelt ungefähr 11 mal, bis sich am anderen Ende eine genervte und ausser Atem geratene Stimme meldet. Ganz entspannt frage ich: "Hi, Süße, ich störe doch hoffentlich nicht?" "Naja, eigentlich schon. Ich habe gerade im Zuge meines allwöchentlichen Hausputzes die Steckdosen abgeschraubt, um dahinter zu wischen."
Mmh, ich bin leicht irritiert, weil mir diese Idee in all den Jahren, die ich meinem Haushalt geopfert habe, noch nie gekommen ist.
Was habe ich alles versäumt? Erste Zweifel über meine Daseinsberechtigung machen sich breit. Ich habe mich rührend um meine Kinder gekümmert, habe versucht Wärme und Geborgenheit in meine Wohnung zu bringen, aber meine Steckdosen (von hinten) habe ich sträflich vernachlässigt.
Ich fürchte, ich muß mir ernsthafte Gedanken über mein verkorkstes Leben machen und verabschiede mich kleinlaut von meiner Freundin.

1 Stunde, 1 Kanne Kaffee und 8 Zigaretten lang verbringe ich damit, darüber nachzudenken, ob meine Steckdosen unglücklicher als die meiner Freundin sind. Ich komme allerdings zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.
Also kann ich genausogut meine Überlegungen verschieben und in der Zwischenzeit mit einer anderen Freundin telefonieren. Die hebt erst nach dem 16. Klingeln ab. "Oh,Gott, störe ich dich etwa?" "Nein, 5 Minuten kann ich schon mit Dir plaudern. Ich bin gerade dabei im Keller die Vorratsdosen abzustauben."

Just in diesem Moment erleidet mein Selbstbewußtsein als Hausfrau den letzten und alles vernichtenden Schlag. Ich bin ein Versager, keine Frage.
Da mühe ich mich jahrelang ab, meinen Lieben gerecht zu werden und sehe tatenlos zu, wie meine Konservendosen verstaubt und unwürdig ans Licht geholt zu werden, im Keller ihr langweiliges und unbeachtetes Schicksal beklagen. Ich bin am Boden zerstört. Zwar habe ich seit längerem schon geahnt, dass ich nicht die beste Hausfrau von allen bin, aber dass ich so ignorant bin, das stellt ja meinen ganzen Charakter in Frage.
Um mir den nächsten Schlag ins Gesicht zu ersparen, stelle ich das Telefon erst mal ganz weit weg.
Oh, Mann, was mache ich bloß?
Lege ich mich auf die Couch eines Therapeuten, oder lieber auf die, die da so völlig verwahrlost in meinem Wohnzimmer rumsteht?
Ich entscheide mich für die zweite Möglichkeit und lese in meinem Astrologiebuch nach, ob Schütze-Frauen denn eventuell und unter Umständen auch gute Seiten haben.
Was ich da lese, richtet mein geschundenes Selbstwertgefühl wieder etwas auf.
Ich bin also offen, ehrlich, gerechtigkeitsliebend und unerschütterlich optimistisch. Mein geistiger Regenbogen schillert in allen Farben. Nur meine hausfraulichen Qualitäten lassen eher zu wünschen übrig.

Na endlich, jetzt habe ich es schwarz auf weiß. Die Entschuldigung fürs Leben.
Ich kann schließlich nicht ununterbrochen gegen meine wahre Natur ankämpfen.
Also, meine hoch geschätzten Konservendosen und verehrte Steckdosen:
Ich liebe euch mit der verzweifelten Seele einer Nicht-Hausfrau, aber wenn ihr in meinem Haushalt weiterleben wollt, müsst ihr euch wohl oder übel mit dem einen oder anderen Staubkörnchen abfinden.
Ich kann eben nicht anders!
Und wenn ihr mir nicht glauben wollt, könnt ihr in meinem Astro-Buch, Seite 132, Absatz 6 gerne nachlesen.